Die Eröffnung vom Jüdischer Friedhof Weißensee in der Straße nach Pankow (Schönhauser Allee) gehört zur Vorgeschichte der Neuanlage jüdischer Friedhöfe in Weißensee. Die in hochdeutscher Sprache gehaltene Einweihungsrede des Rabbiners löste lautstarken Protest aus, Traditionalisten und Reformer waren zerstritten. Die Regierung sprach von Nachahmung der christlichen Sitten und die Orthodoxen kritisierten ihn wegen Verletzung der jüdischen Tradition. Die Reformgegner schlossen sich aus Protest 1869 zur orthodoxen „Adass Jisroel“ zusammen und erwarben 1878 in der Weißenseer Wittlicher Straße ein Grundstück für eigene Begräbnisstätten. Der Platz vor dem Friedhof wurde 1995 nach dem jüdischen Pädagogen Markus Reich benannt. Markus Reich wechselte mit seiner in Fürstenwalde betriebenen israelitischen Taubstummenanstalt nach Weißensee in die Parkstraße, wo sie ein neu gebauten Wohn- und Schulkomplex bezogen. Dessen Bewohner kamen 1942 in den Vernichtungslagern der Nazis um. Die Nutzung wurde den Kindern weiter gewidmet, die evangelische Stephanusschule betreut heute Kinder mit geistiger Behinderung.
Die erste jüdische Siedlung in der Mark Brandenburg geht auf eine erste urkundlichen Erwähnung von 1247 zurück, als auch die meisten Landgemeinden in der Mark Brandenburg entstanden. Zu den in Brandenburg vorhandenen Begräbnisstätten lag der älteste jüdische Friedhof von Berlin in der Großen Hamburger Straße, welcher heute kaum noch vorhanden ist. Moses Mendelsohn fand hier seine letzte Ruhe. In der bereits genannten Schönhauser Allee wurde der zweite jüdische Friedhof angelegt, wo der Maler Max Liebermann und der Komponist Giacomo Meyerbeer.
Lothringenstraße mit Blick zum Jüdischen Friedhof um 1930Als dritte Begräbnisstätte der Jüdische Gemeinde zu Berlin wurde in der Lothringenstraße eine neue Begräb-nisstätte angelegt. Nach Plänen des Architekten Hugo Licht wurde die Begräbnisanlage so gestaltet, dass das Arrangement der Grabfelder in Dreiecke, Rechtecke und Trapeze erfolgte. Auf den Hauptwegen wurden Baumalleen angepflanzt, Kreuzungen auf Hauptwegen als Kreis, Quadrat oder Oktogon gestaltet. Mit gelben Ziegeln im Stil der italienischen Neorenaissance wurde ein Gebäude-ensemble nebst massiver Friedhofsmauer am Eingang des Friedhofs durch den Architekten Hugo Licht entworfen. Diese setzen sich aus der Friedhofsverwaltung, einem Leichenhaus, das bedeutende Archiv der jüdischen Gemeinde und der Trauerhalle zusammen. Alle Gebäudeteile sind mit Arkadengängen miteinander verbunden. Mit der Ausführung war Architekt Freytag betraut. Dieser gestaltete Teil des Friedhofes zählt zum ältesten Teil der Gesamtanlage. Seine Gestaltung ist am vielfältigsten und sehenswertesten. In der Friedhofsmauer finden sich repräsentative Mausoleen, der Architekt Gerd Pieper entwarf die straßenseitige Friedhofsbegrenzung mit Menora Symbolen und mit Durchbrüchen mittels Metallgitter entstand eine Verbindung nach Außen. Am 9. September 1880 kam es zur feierlichen Einweihung der Begräbnisstätte. Das „Berliner Tageblatt“ meldet; in seiner Abendausgabe „Der Friedhof wird eingeweiht, aber nicht mit einem Begräbnis, sondern mit einer offiziellen Feier.“. Ein Chor sang in deutscher Sprache und der Rabbinatsassessor Dr. Ungerleider sprach das Gebet. Große Herren mit goldenen und silbernen Schulterketten (Abzeichen „Städtischer Würden“) saßen in den vorderen Reihen der geladenen Gäste. Die musikalische Begleitung fand unter dem Komponisten und Chordirigenten Louis Lewandowski statt, der als mittelloser Knabe nach Berlin kam und von dem Enkel Moses, Alexander Mendelsohn, gefördert wurde. Lewandowski war auch der erste Jude, der von der Akademie der Künste angenommen wurde. In seiner Aufnahmeprüfung musste er zwei Chöre geistlicher Richtung komponieren. Sein Grabstein beinhaltet die Inschrift „Liebe macht das Lied unsterblich“ und bfindet sich rechts vom Haupteingang in der Ehrengrabreihe, wo sich auch die erste Grabstelle des Friedhofs befindet. Alle in der Ehrenreihe bestatteten Juden stammten nicht aus Berlin, kamen aus der Ukraine, Galazien, Riga, Mähren, Schlesien, Ungarn und aus dem südlichen Deutschland (Sachsen – Anhalt, Thüringen, Baden Württemberg).
GrabschaleUnter den Bestatteten befinden sich Königlich Preußischer Geheimer Kommerzienrat Sigmund Aschrott, deutsch – jüdischer Kaufmann, dessen monumentales Mausoleum aus roten Grant durch Bruno Schmitz entworfen wurde. Bruno Schmitz war auch der Erbauer des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig, welches auch als Nietenpyramide bekannt ist, weil es durch die Lotterie finanziert wurde. Ebenfalls herausragend sind die Bauten von Walter Gropius, der die kubistische Grabstätte für Albert Mendel gestaltete und Ludwig Hoffmann, der für das Familiengrab der Panowsky federführend wirkte. Unter den namhaften Toten sind unter Anderen der Gründer des Kaufhauses KaDeWe Adolf Jandorf, der auch das Kaufhaus in der Rosenthaler Vorstadt (Veteranenberg/Brunnenstraße betrieb, der Gründer des Kaufhauses Hertie, Hermann Tietz, Josef Garbáty, Zigarettenfabrikant aus Pankow, der Physiker Hermann Aron, welcher den ersten praktisch gebrauchbaren Elektrizitätszähler entwickelte, Berthold Kempinski, Berliner Weinhändler und Namensgeber der Hotelkette Kempinski und die Verleger Samuel Fischer und Rudolf Mosse.
Eine neue Feierhalle wurde im Südostteil des Friedhofes im Jahr 1910 gebaut Sie sollte die Wege auf dem großen Friedhofsgelände verkürzen und die Möglichkeit bieten gleichzeitig zwei Trauerfeiern abhalten zu können. Zwei Jahre später bekam die neue Trauerhalle ebenfalls eine Warte- und Blumenhalle, die nach Plänen des Architekten Adolf Sommerfeldt errichtet wurden. 1914 bekam der Friedhof unter Leitung des Reichsbaumeisters Alexander Beer ein Ehrenfeld für gefallene jüdische Soldaten hinzu. Diese U-förmige Anlage entstand mit einer übermannshohen Rüdersdorfer Kalksteinmauer, die das Areal umsäumt. Das dazugehörige Ehrenmal von Alexander Beer, ein drei Meter hoher Monolith aus Muschelkalk wurde erst 1927 gebaut. Die Aufschrift auf dem Ehrenmal lautet wie folgt;
Ihren im Weltkrieg gefallenen Söhnen.
Mächtig wie der Tod ist die Liebe.
Auf der Rückseite befindet sich das Wappen des „Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten“. Später kam für neun russische Soldaten jüdischen Glaubens noch eine Gedenktafel hinzu, die ebenfalls im ersten Weltkrieg starben. Mitte der 20er Jahre wurde am Weißenseer Weg ein weiterer Eingang geschaffen, der ebenfalls die langen Wege auf dem Gelände verkürzen und einen weiteren Abschnitt des Friedhofes erschließen sollte. Während dieser zeit wurden dann auch nicht mehr die Asche der Verstorbenen in Särgen beigesetzt, sondern erste Urnenfelder wurden eigens hierfür angelegt. In der eigens geführten Friedhofsgärtnerei werden in den Jahren 1939/40 ausreisewillige jüdische Jugendliche ausgebildet und erlernen das gärtnerische Handwerk.
Für alte jüdische Begräbnisstellen gab es eine einheitliche Regelung für die Höhe der Grabsteine. Mit dieser Regelung sollte dargestellt werden, dass alle Menschen nach dem Tode gleich sind. Die Grabsteine sollten nicht nur gleich hoch sein, sondern auch schmucklos beruhigende Monotonie und die schlichte Monumentalität als Ganzes wieder spiegeln. Dieser Tradition ist man in Weißensee nur teilweise gefolgt. Zur traditionellen jüdischen Grabgestaltung reihen sich eindrucksvolle Monumente wilhelminischer Prachtentfaltung. Als Ausdruck des Zeitgeistes aber auch Stein gewordener Beweis, wie schwer es war, ein Gefühl von Maß und Wert zu finden. Der einfache Sand- und Kalkstein wurde durch Marmor- und polierten Granitstein ersetzt und aus der hebräischen Schreibweise ging man in die lateinische Schreibweise über. Selbst das Verbot der Bildnisse auf Grabsteinen war kein Hindernis mehr.
GedenktafelSchwere Jahre kamen auf den Friedhof während der Zeit des Nationalsozialismus. Aus Verzweiflung über die Verfolgung und der bevorstehenden Deportation nahmen sich viele jüdische Bewohner in Berlin das Leben. Fast zweitausend wurden allein auf dem Weißenseer Friedhof beigesetzt, die sich zwischen 1933 und 1945 das Leben nahmen. Über achthundert weiter jüdische Einwohner aus Weißensee kamen in Konzentrationslagern um. 1941 wurden auf einem Urnensonderfeld 283 in Konzentrationslagern ermordete jüdische Gemeindemitglieder bestattet. Im Frühjahr 1943 versteckten Gemeindemitglieder Thorarollen in der 1910 errichteten Feierhalle. Diese handgeschriebenen Pergamentrollen für den gottesdienstlichen Gebrauch beinhalten dir fünf Bücher Moses. Durch eine Brandbombe wurden die Rollen im Sommer des gleichen Jahres getroffen, so dass ein Teil der heiligen Schriften für immer verloren waren. Eine jüdische Sitte gebietet, dass beschädigte oder sonst unbrauchbare Schriften bestattet werden müssen. Gleiches Gebot findet sich wieder in der Exhumierung wieder, d. h. einmal der Erde auf jüdischem Boden übergeben darf nicht wieder ausgegraben werden. Die Rollen stammten aus einem ehemaligen Krankenheim der Gemeinde Adass Jisroel in der Elsässer Straße (Torstraße), dem Sitz des Oberfinanzpräsidenten, wo 583 Thorarollen gelagert wurden. Für die Einrichtung eines Museums wollten die Nazis Kulturgut der Juden und Freimaurer zeigen und als Standort wurde die während der Pogromnacht nicht zerstörte Synagoge in der Münchner Straße (Schöneberg) ausgewählt. Dies zu verhindern verdankte die jüdische Gemeinde zu Berlin dem damaligen Leiter der Friedhofsverwaltung und Landgerichtsdirektor a. D. Arthur Brass, der von den gelagerten Thorarollen erfuhr und dessen Auslagerung veranlasste. Die Gemeindemitglieder Selmar Neumann und Willi Schweig organisierten mit zwei großen Lkw`s den sofortigen Abtransport zum Jüdischen Friedhof nach Weißensee. Der beauftrage Spediteur Scheffler unterstütze die geheime Aktion und verlangte aus christlicher Gesinnung auch kein Geld für den Transport. Die restlichen, etwa fünfhundert Schriften, wurden bis Kriegsende in der Blumenhalle des Friedhofes aufbewahrt und gingen nach Kriegsende an die Synagogen von Berlin.
Bei den Bombenangriffen der letzten Kriegsjahre wurden wie schon erwähnt die neue Feierhalle und die Friedhofsgärtnerei stark beschädigt. Die Feierhalle wurde abgetragen und ein kleiner Hügel an dessen Stelle ist die einzige Erinnerung an ihr. Bei über 4.000 Grabstellen mussten ebenfalls Beschädigungen registriert werden. In der Mitte des Rondells am Haupteingang erinnert ein Gedenkstein an die nationalsozialistische Verfolgung der Juden, auf dem Stein sind die Namen großer Konzentrationslager eingemeißelt. Der erste öffentliche jüdische Gottesdienst findet anlässlich der Kapitulation Nazideutschlands am 11. Mai 1945 im Friedhofsgebäude statt. Als damaliger Landesrabbiner tätig war Dr. h. c. Martin Riesenburger ab 1943 auf dem Friedhof tätig. In seinem Büchlein „Das Licht verlöscht nie“ beschreibt er das Erleben der Schreckensjahre während der Nazizeit. Bis 1948 waren noch achtzehn Bombentrichter nicht geschlossen worden.
Da die meisten Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Weißensee umkamen oder das Land verließen zählte die Gemeinde nach Kriegsende nur noch wenige Mitglieder. Diese konnten, so sehr sie sich auch mühten, die riesigen Flächen der Friedhofsanlage nicht mehr bewältigen. Der zunehmende Verfall der Gräber war unausweichlich. Die neuen Machthaber im Ostteil der Stadt hatten wenig Interesse an dem Erhalt der Grabstellen und der Bewahrung des jüdischen Erbes. Es mussten fast 30 Jahre vergehen bis der Ostberliner Magistrat das kulturelle Erbe am jüdischen Friedhof in Weißensee entdeckte. Am 21. September 1977 wurde der Friedhof zum „Denkmal für Kulturgeschichte“ (Mag.-Nr. 432/77) erklärt und nun flossen auch staatliche Förderungen in den Friedhof. Es übernahm die Stadt, durch das Stadtgartenamt, die künftige Pflege des Friedhofes. Auch Studentengruppen Helfer der Aktion Sühnezeichen halfen bei der Wiederherstellung der Grabanlagen. Trotzdem nützte alles nichts. Waren in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts über 200 Angestellte mit der Pflege beschäftigt, konnten die gerade mal 16 fest angestellten Mitarbeiter den Verfall nicht aufhalten. Hinzu kam, dass 1988 notdürftig die Grabsteine und Gedenktafeln des ehemaligen Friedhofes Große Hamburger Straße zwischengelagert wurden. Sie sind die ältesten erhaltenen Dokumente der 1671 gegründeten Berliner Gemeinde. Die barocken Denkmäler waren allesamt 1880 in der ehemaligen Friedhofsmauer eingelassen worden, dessen Umstand sie vor der Zerstörung 1943 bewahrte. Am verregneten 23. April 1950 wurde feierlich unter zahlreichen Gästen durch den damaligen Volkskammerpräsidenten der DDR Dieckmann, Staatssekretär Dr. Zuckermann und dem Bürgermeister Gohr die Gedenktafel als Mahnmal für die von den Nazis ermordeten Juden am Eingang des Friedhofs enthüllt. Ein Jahr später wurde ein erstes Sonderfeld angelegt, wo Juden mit ihren nichtjüdischen Ehepartnern zusammen bestattet werden konnten. Am 7. September 1958 wurde das im Eingangsbereich neu entstandene Rondell mit Erinnerungstafeln an alle großen Konzentrationslager und der bereits 1953 enthüllten Gedenktafel eingeweiht. Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte zweite Trauerhalle wurde Anfang der 80er Jahre abgetragen und durch einen Erdhügel ersetzt. Im gleichen Jahr wurde für die geschändeten Thorarollen eine Inschriftentafel gestaltet. An der heutigen Indira Gandhi Straße entstand eine neue Friedhofsmauer mit der Menora als Schmuckelement. Schmiedeeiserne Tore geben einen Blick in das Friedhofsgelände frei.
Zu Zeiten der DDR wollte man eine Verbindungsstraße nach Hohenschönhausen quer durch den Friedhof bauen, dies konnte aber noch rechtzeitig durch den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Westberlin verhindert werden. Nur die Verlängerung (Hansastraße) ist aus diesem Vorhaben geblieben, die zur Kniprodestraße weitergeführt werden sollte. In den Plänen von James Hobrecht aus dem Jahre 1861 sollte an dieser Stelle die Trasse der Straße 16a das Gelände durchqueren und an die Kniprodestraße anschließen. Hierzu wurde das 1921 teilvermessene Grundstück an die Gemeinde übertragen. Erst 1988 konnte die jüdische Gemeinde zu Weißensee über das Grundstück zu Friedhofszwecken als Dauernutzung verfügen. Die erste Beisetzung auf diesem Gelände fand am 25. Oktober 1990 statt.
Die dem Friedhof zuführende ehemalige Lothringenstraße wurde 1951 in Herbert Baum Straße umbenannt. Herbert Baum verkörpert in besonderer Weise den jüdischen Widerstand während der Nazidiktatur. Baum war Sohn eines Buchhalters, erlernte den Beruf eines Elektrikers konnte aber wegen seiner jüdischen Herkunft seine angestrebte Ingeneurausbildung für Elektroingenieure nicht antreten. Als Antifaschist leitete er eine Widerstandsgruppe, die sich meist aus jüdischen Jugendlichen zusammensetzte. Bei dem Brandanschlag auf die Nazi Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies“ im Berliner Lustgarten war er maßgeblich beteiligt. Nach schweren Folterungen während der Haft kam Herbert Baum am 11. Juni 1942 ums leben. Weitere 27 Kameraden/innen seiner Gruppe wurden ebenfalls ermordet. Herbert Baum war erst auf einem Friedhof in Marzahn beerdigt und später auf den Jüdischen Friedhof nach Weißensee umgebettet worden. Die Exhumierung und Umbettung der Leiche von Herbert Baum fand am 8. September 1949 statt.
Nach der politischen Wende verschärfte sich die Situation noch mehr. Die jüdische Gemeinde in Berlin wieder vereint ließ den Friedhof begutachten und schätzte für die Restaurierung einen Finanzbedarf von 40 Millionen Euro. Von den fest angestellten Mitarbeitern wurden es noch weniger und man versuchte es mit so genannten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmenkräften aufzustocken. Zum bevorstehenden 125. Jahrestags der Eröffnung des jüdischen Friedhofes in Weißensee schlug die jüdische Gemeinde der Bundesregierung vor, den Friedhof in das Weltkulturerbe der UNESCO aufnehmen zu lassen, Schließlich zählt dieser zu den größten und schönsten in ganz Europa. In beeindruckender Weise spiegelt dieser die Blüte der jüdischen Gemeinde des 19. Jahrhunderts wieder. Zu dieser Zeit zählte die Gemeinde mehr als 65.000 Mitglieder in Berlin. Peter Melcher charakterisierte in seinem Buch „Weißensee“ den Jüdischen Friedhof mit den Worten; Die Totenstadt von Weißensee kann durchaus als ein Abbild der Gesellschaft im damaligen Berlin gesehen werden. Da gibt es die breiten repräsentativen Gräberstraßen, auf denen man die Honorierten des Wilhelminischen Deutschland trifft. Die Geheimen Justizräte, die Geheimen Medizinalräte bzw. Sanitätsräte, den Königlich Preußischen Hofpianisten, Doktoren und Professoren. Und abseits der prächtigen Boulevards dann die Hinterhöfe, die kleinen Reihenstellen der Namenlosen, eng gedrängt, Grab an Grab.
Nicht einmal ein Jahr nach dem Fall der Mauer besuchte Bundespräsident Richard von Weizsäcker den jüdischen Friedhof. In seiner Rede erklärte der Bundespräsident, dass das deutsche Volk den jüdischen Grabstätten verpflichtet sei. Die Grabstelle von Mendel, entworfen von Walter Gropius konnte 1992 durch den Erlös der initiierte Benefizkonzerte von Richard von Weizsäcker finanziert werden. Schon 1990 wurde mit der Restaurierung erster Grabstellen aus Mitteln des Landesdenkmalamtes und der Deutschen Bundesstiftung begonnen. Zwischen 1992 – 1994 wurde das noch komplett erhaltene und neunhundert bändige Beisetzungsarchiv restauriert und verfilmt. Hier stiftete das Landesarchiv Berlin und die Stiftung der Deutschen Klassenlotterie einen Teil der Mittel. Die Schilder der Grabfelder sind auch in das Restaurierungsvorhaben einbezogen worden und sollen nach dem Stil von 1880 erhalten bleiben. Der Krieger Ehrenhof wurde auf Initiative der Bundeswehr und Zuwendungen der Deutschen Kriegsgräberfürsorge, der Axel Springer Stiftung, der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz restauriert.
Unter dem Titel „Witnesses in Uniform“ besuchte am 20. November 2008 eine Delegation israelischer Streitkräfte den Jüdischen Friedhof Weißensee. Mit Unterstützung der Bundeswehr besuchten rund 180 israelische Offiziere die deutsche Hauptstadt, wo sie neben anderen Berliner jüdischen Sehenswürdigkeiten den Jüdischen Friedhof in Weißensee besuchten. Mittags um 12:00 Uhr wurde im Beisein des Stellvertretenden Generalinspekteur, Generalleutnant Johann Georg Dora und den Luftwaffenmusikkorps 4, dem Wachbataillon der Bundeswehr sowie den israelischen Gästen eine Gedenkzeremonie veranstaltet und für die zahlreichen Opfer der beiden Kriege ein Kranz niedergelegt.
Kurt Tucholsky veröffentlichte 1925 unter seinem Pseudonym Theobald Tiger folgendes Gedicht in der Weltbühne:
Da, Chamottefabriken stehn, – Motorengebrumm –
da kannst du einen Friedhof sehn, mit Mauern drum.
Jedweder hat hier seine Welt, – ein Feld –
Und so ein Feldheißt irgendwie O oder I…
Sie kamen hierher aus den Betten,
aus Kellern, Wagen und Toiletten,
und manche aus der Charité,
nach Weißensee, nach Weißensee.
Wird einer frisch dort eingepflanzt, nach frommen Brauch,
dann kommen viele angetanzt – das muß man auch.
Harmonium singt Adagio – Feld O –
das Auto wartet – Taxe drei – Feld Ei.
Ein Geistlicher kann seins nicht lesen.
Und was für ein Herz gewesen,
hört stolz im Sarge der Bankier,
in Weißensee, in Weißensee.
Da wo ich oft gewesen bin, zwecks Trauerei,
da kommst du hin, da komm ich hin, wenns mal vorbei.
Du liebst. Du reist. Du freust dich, du – Feld U.
Es wartet in absentia – Feld A –
Es tickt die Uhr. Dein Grab hat Zeit,
drei Meter lang, ein Meter breit.
Du siehst noch drei, vier fremde Städte,
Du siehst noch eine nackte Grete,
noch zwanzig, dreißig mal den Schnee…
Und dann: Feld P –
in Weißensee, in Weißensee.