Meyers Hof in Berlin: Ein historisches Zeugnis der Mietskasernen

Die Berliner Hinterhöfe sind ein fester Bestandteil der Stadtgeschichte. Mit der Industriellen Revolution und dem damit verbundenen Bevölkerungswachstum entstanden dicht bebaute Wohnquartiere, die als Mietskasernen bekannt wurden. Meyers Hof in der Ackerstraße 132 ist ein besonders prägnantes Beispiel für diese Entwicklung.

Meyers Hof – Ein Überblick

Meyer’s-Hof, erbaut im Jahr 1874 von Velvetfabrikant Jaques Meyer, ist ein Sinnbild für die verdichtete und spekulative Bebauung der Gründerzeit. Der Komplex besteht aus einem doppelten Vorderhaus und fünf Hinterhöfen, die durch sechs doppelte Quergebäude verbunden sind. Diese Architektur ermöglichte es, auf kleinstem Raum eine große Anzahl von Menschen unterzubringen, was zu extremen Wohnverhältnissen führte.

Die Wohnverhältnisse im Meyerischen Hof

In Meyers Hof lebten zeitweise bis zu zweitausend Menschen auf engstem Raum. Die Hinterhöfe waren lichtarm und boten nur wenig Platz. Die Wohnungen selbst waren schmal und beengt. Trotz dieser schwierigen Bedingungen war Meyers Hof ein pulsierender Ort, wo das Leben auf den Höfen einem eigenen Mikrokosmos glich. Hier fanden Marktaktivitäten statt, und Kinder spielten auf den Höfen, die auch als Straße dienten.

Noch vor Bauvollendung wurde das Gebäude von wohnungssuchenden Mietern gestürmt und in Besitz genommen. Eine schlechte Mieterschaft nistete sich ein, und als der jetzige Besitzer im Jahre 1878 das Grundstück übernahm, war es in der kurzen Zeit völlig verwahrlost. Von der Mieterschaft, die der Besitzer Herr Otto Meyer jetzt antraf, gab er mir einige drastische Schilderungen. Miete zahlten überhaupt nur die wenigsten, und die sich nur auf das Nichtzahlen beschränkten, waren eigentlich noch die besseren Elemente. Einzelne gingen noch viel weiter. Einer der Mieter, von Beruf Töpfer, hatte die Kachelöfen seiner Wohnung abgerissen und verkauft. Ein anderer handelte mit Weihnachtsbäumen, er hatte den Fußboden seines Zimmers aufgebrochen und die Bretter zu Baumstützen und Unterlagen zersägt …

Zeitungsbericht

Die soziale Struktur

Während die Bewohner der Vorderhäuser als privilegierter galten und oft Industrielle oder erfolgreichere Mieter waren, lebten die meisten Bewohner in den Hinterhäusern unter deutlich schlechteren Bedingungen. Hier gab es ursprünglich nur Gemeinschaftstoiletten und eine zentrale Wasserversorgung, die später durch Etagentoiletten ersetzt wurden. Die Tatsache, dass viele Bewohner ein Gewerbe in ihren Wohnungen betrieben, unterstrich den Charakter von Meyershof als eigenständige städtische Einheit.

Industrielle Ansiedlung und Gewerbe in Meyers Hof

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts zogen zunehmend industrielle Gewerbe in Meyer’s-Hof ein. Dies förderte das Wachstum von Dienstleistern und Handwerkern. Die Vielfalt der ansässigen Gewerbe war enorm und reichte von Bildhauerwerkstätten bis hin zu Mostereien und Gemüsehändlern.

Baupolizeiliche Herausforderungen und Veränderungen

Die Geschichte von Meyers Hof ist auch eine der ständigen Auseinandersetzungen mit der Baupolizei. Unautorisierte Umbauten waren keine Seltenheit, und oft mussten Genehmigungen nachträglich eingeholt werden. Im Laufe der Zeit verbesserten sich die hygienischen Bedingungen, als Toilettenanlagen in die Gebäude integriert und die Hofanlagen für Verkaufsstände und Ställe umgestaltet wurden.

„Am 31. August hat der Eigentümer Meyer auf seinem Grundstück, 2. Hof paterre, zwei Fachwerkwände gänzlich entfernen und in zwei massive Scheidewände Türlöcher einreißen lassen. Zweck der ohne baupolizeiliche Genehmigung ausgeführten Arbeiten ist die Herstellung zusammen hängender Räumlichkeiten zur Unterbringung einer Kochschule für Mädchen der arbeitenden Classen.“

Anzeige bei der Polizei vom 2. September 1894

Der Wandel im 20. Jahrhundert

Nach dem Tod des Erbauers im Jahr 1920 erlebte der Meyerische Hof eine Phase des Niedergangs. Die Erben verkauften das Gebäude, und es kam zu mehreren Besitzerwechseln. Die Weltwirtschaftskrise traf die Mieter hart, und die Anlage wurde zu einem sozialen Brennpunkt im „Roten Wedding“. Der Zweite Weltkrieg hinterließ nur das Vorderhaus und ein Quergebäude.

Das Ende von Meyers Hof

In den 1960er Jahren ging Meyer’s Hof in den Besitz der Alexandra Stiftung über, die mit der Entmietung begann. Die Sprengung am 17. Oktober 1972 markierte das Ende einer Ära und schloss ein Kapitel der Geschichte Berlins, das von rücksichtsloser Profitgier und den sozialen Herausforderungen der Mietskasernen geprägt war.

Meyers Höfe – Ein Vermächtnis

Heute erinnern nur noch wenige Spuren an Meyers Hof. Die Ackerstraße 132 in Berlin und ihre Geschichte sind jedoch ein wichtiges Zeugnis für das Leben in den Berliner Mietskasernen und die Entwicklungen der Stadt im Laufe der Jahrhunderte. Der Bestatter der Oranienburger Vorstadt und andere Gewerbe, die einst Teil von Meyer’s Hof waren, sind Teil des kulturellen Erbes, das die Geschichte der Berliner Hinterhöfe erzählt.