Invalidenstraße: Historische Bedeutung und Entwicklung

Die Invalidenstraße in Berlin, die sich durch die Rosenthaler- und Oranienburger Vorstadt erstreckt, hat ihre Wurzeln bereits im 13. Jahrhundert, als sie Teil des Spandauer Heerwegs war. Ihren Namen verdankt die Straße dem Invalidenhaus, das zwischen 1745 und 1748 erbaut wurde. Dieses Haus diente als Unterkunft und Versorgungsstätte für die Kriegsinvaliden der Schlesischen Kriege. König Friedrich II. eröffnete das Invalidenhaus am 15. November 1748, das auf Initiative seines Vorgängers Friedrich I. errichtet wurde. Der Bau spiegelte mit seinem militärischen Charakter den Willen des Königs wider und wurde vom Architekten Isaak Jacob von Petri umgesetzt.

Militärische und medizinische Einrichtungen

Die Invalidenstraße in Berlin-Mitte wurde auch durch weitere militärische und medizinische Institutionen geprägt. Im Jahr 1900 entstand die Kaiser Wilhelm Akademie für das militärische Bildungswesen. Der Invalidenfriedhof, ebenfalls 1748 eröffnet, wurde die letzte Ruhestätte für hochrangige Militärs sowie Persönlichkeiten aus Kunst und Wissenschaft. Später, zwischen 1850 und 1853, kam das Garnisonslazarett hinzu, das im Stil des Spätklassizismus errichtet wurde und später als zentrales Krankenhaus der Polizei und als Bundeswehrkrankenhaus diente.

Naturkundemuseum

Das Naturkundemuseum in der Invalidenstraße 42-44 hat seine Anfänge in der Sammlung der Friedrich Wilhelm Universität. Mit dem Wachstum der Sammlungen entstand das Bedürfnis nach einem eigenen Gebäude, das von August Tiede im Stil der französischen Renaissance und des Barocks entworfen wurde. Die Eröffnung des Museums erfolgte am 2. Dezember 1889 durch Kaiser Wilhelm II. Das Museum beherbergte nicht nur naturkundliche Sammlungen, sondern widmete sich auch der Geschichte deutscher Kolonien. Das bekannteste Exponat ist das Brachiosaurus-Skelett, das während einer deutschen Expedition entdeckt wurde.

St. Elisabeth-Kirche

Die St. Elisabeth-Kirche sollte als seelsorgerische Einrichtung die moralischen Verhältnisse in der Rosenthaler Vorstadt verbessern. Die Kirche, entworfen von Karl Friedrich Schinkel und 1835 geweiht, ist ein herausragendes Beispiel klassizistischer Architektur. Sie wurde nach der Mutter von Johannes dem Täufer und der Schwiegertochter des Königs benannt, um deren soziales und religiöses Engagement zu ehren. Die Kirche wurde bis 1918 als königliches Patronat geführt und aus der königlichen Schatulle unterhalten.

Die Entwicklung der Invalidenstraße und ihre Bedeutung für Berlin

Die Anfänge der Invalidenstraße

Im frühen 18. Jahrhundert entwickelten sich die Spandauer- und Dorotheenstadt in Berlin zu dicht bebauten Gebieten. König Friedrich I. von Preußen ließ diese Stadtteile um 1705 mit einer Circumvallation, einer Befestigungsanlage aus Palisaden, umgeben. Die Linienstraße folgte dem Verlauf dieser Anlage. Später, in den Jahren 1788 und 1789, wurde die Stadtbegrenzung erweitert und anstelle der Palisaden wurde eine Backsteinmauer errichtet, die auch die drei Tore – Rosenthaler, Hamburger und Oranienburger Tor – einschloss.

Friedrich der Große und die Rosenthaler Vorstadt

Die Idee für die Anlage der Rosenthaler Vorstadt außerhalb der Palisaden entstand auf Initiative von Friedrich dem Großen. Die Aufmerksamkeit des Königs richtete sich besonders auf diese Gegend, nachdem er 1748 das Invalidenhaus für seine verwundeten und alten Soldaten errichten ließ. Der Bau des Invalidenhauses und die damit verbundenen weiteren Bauprojekte zogen zahlreiche Menschen an, darunter viele Handwerker aus dem Ausland, vorwiegend aus Sachsen. Diese Saisonarbeiter kehrten nach der Bausaison in ihre Heimat zurück und gaben dort ihr in Berlin verdientes Geld aus.

St. Elisabethkirche und ihre Renovierungen

Die St. Elisabethkirche, die sich in der Nähe des Invalidenhauses befindet, wurde im Laufe der Jahre mehrfach renoviert und erweitert. Gottfried August Stüler entwarf 1859/60 einen Sakristeianbau, und 1893 fand eine weitere Renovierung statt. Die Kirche erlitt im Zweiten Weltkrieg durch eine Phosphorbombe schwere Schäden und brannte aus. Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands begannen ab 1991 die Wiederaufbauarbeiten mit Unterstützung der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz. Der Wiederaufbau umfasste die Langenwand an Ost- und Westseite, die Dachkonstruktion und die Sicherung der Giebelwände. Auch die Fenster wurden erneuert, und es erfolgten weitere Instandsetzungsarbeiten.

Die Versöhnungskirche und ihre Geschichte

Die St. Elisabethgemeinde wuchs so stark, dass 1894 die Versöhnungskirche in der Ackerstraße errichtet wurde. Entworfen von Gotthilf Ludwig Möckel im neugotischen Stil, wurde die Kirche ohne Säulen gebaut, sodass die Kanzel von jedem Platz aus gut sichtbar war. Die Einweihung wurde von Kaiserin Auguste Victoria besucht, die auf den Namen der Kirche Bezug nahm. Die Kirchengemeinde engagierte sich in der seelsorgerischen Betreuung und Bildung ihrer Mitglieder und gründete verschiedene Vereine.

Soziales Engagement und politische Spannungen

Das soziale Engagement der Gemeinde zeigte sich auch in der Gründung des „Vaterländischen Bauvereins“ im Jahr 1906, der ein Wohnbauprojekt für ein menschenwürdigeres Leben in der Rosenthaler Vorstadt ins Leben rief. Die politischen Spannungen erreichten einen Höhepunkt im Jahr 1932, als sich der damalige Pfarrer der Versöhnungskirche öffentlich zu den Nationalsozialisten bekannte, was zu Konflikten innerhalb der Gemeinde führte.

Die Berliner Rede von Horst Köhler

Im Jahr 2009 nutzte Bundespräsident Horst Köhler die St. Elisabethkirche als Ort für seine Berliner Rede. Die Kirche, damals noch eine Baustelle, symbolisierte die Unvollkommenheit und die Herausforderungen, denen sich das Land gegenübersah. Köhlers Rede thematisierte die Weltwirtschaftskrise und die Notwendigkeit für einen Neuanfang.

Die Versöhnungskirche an der Bernauer Straße – Ein Symbol des geteilten Berlins

Die Versöhnungskirche, gelegen an der Grenze zwischen dem Ost- und Westsektor von Berlin, wurde unmittelbar nach dem Mauerbau zu einem tragischen Symbol der deutschen Teilung. Dieser Artikel beleuchtet die Geschichte der Kirche, die von der Spaltung der Gemeinde bis zu ihrer Zerstörung durch die DDR-Behörden reicht.

Die Teilung der Gemeinde

Mit dem Viermächteabkommen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Berlin in vier Sektoren aufgeteilt. Die Versöhnungskirche befand sich dadurch auf der Sektorengrenze im sowjetischen Sektor. Die Teilung hatte zur Folge, dass die Gemeindemitglieder geographisch gespalten wurden, wobei die Mehrheit im Westsektor lebte. Trotz ihrer Lage im Ostsektor zogen die Westberliner Gemeindemitglieder über den Grenzübergang Invalidenstraße weiterhin zur Kirche, bis der 13. August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer das abrupte Ende dieser Möglichkeit markierte.

Die Kirche im Sperrgebiet in Ost-Berlin

Nach Errichtung der Mauer war der Zugang zur Versöhnungskirche für beide Seiten der Stadt nicht mehr möglich. Die Kirche stand in einem streng bewachten Grenzgebiet, das zu einem Sinnbild für die Teilung Berlins wurde. Die Straßenzüge rund um die Bernauer Straße wurden teilweise abgerissen, um Fluchtversuche zu unterbinden. Am 23. Oktober 1961 musste Pfarrer Hildebrandt die Kirche und das Gemeindehaus räumen; die Kirchenuhr wurde angehalten und die Glocken schwiegen.

Ein neues Gemeindezentrum und der Todesstreifen

Die Gemeindemitglieder aus West-Berlin fanden sich ein neues Zentrum in der Bernauer Straße, von wo aus sie ihre ehemalige Kirche sehen konnten. Die DDR-Behörden bauten um die Kirche herum einen Todesstreifen, der mit Panzersperren, Minen, Wachhunden und bewaffneten Soldaten ausgestattet war. Die Versöhnungskirche diente zeitweilig als Aussichtspunkt für Grenzsoldaten.

Proteste und Fluchtversuche

Am 2. Oktober 1962 kam es zu einer Demonstration gegen die Teilung Berlins und die Existenz der Mauer. Trotz Verbots versammelten sich mehrere tausend Menschen, darunter der indische Bürger Tapeshwar Nath Zutshi und der Kölner Historiker Dr. Berthold Rubin. Die Polizei beider Seiten schritt ein, was zu vielen Verhaftungen führte.

Um weitere Fluchtversuche zu verhindern, wurden besondere Maßnahmen getroffen. Ein Rasen um die Kirche sollte Bodenveränderungen durch Fluchttunnel erkennbar machen, und Hundelaufanlagen sicherten den Bereich zusätzlich ab.

Die Verhandlungen und die Zerstörung der Kirche

Trotz Verhandlungen und dem Widerstand der Westberliner Versöhnungsgemeinde wurde das Grundstück der Kirche schließlich an das Ostberliner Konsistorium übertragen. Manfred Stolpe, der spätere Ministerpräsident von Brandenburg, spielte in diesem Prozess eine wichtige Rolle.

Am 22. Januar 1985, nur wenige Jahre vor dem Mauerfall, ließen die DDR-Behörden das Kirchenschiff sprengen. Nur sechs Tage später folgte der Kirchturm. Die Zerstörung des Gotteshauses war ein erschütterndes Ereignis für die Gemeinde und für ganz Berlin.

Erinnerung und Mahnung

Regine Hildebrandt, Schwiegertochter des Pfarrers Hildebrandt und später Sozialministerin in Brandenburg, war persönlich betroffen von der Zerstörung der Kirche. Sie empfand es als wichtig, das Ende eines bedeutenden Ortes der Freiheit und des Widerstands gegen die Teilung Deutschlands festzuhalten.

Fall der Mauer

Die Versöhnungskirche, einst ein symbolträchtiges Bauwerk, erlebte den Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 nicht mehr. Sie wurde bereits in den 1980er Jahren im Zuge der Grenzbefestigung der DDR gesprengt. Trotzdem markiert dieser historische Tag den Beginn eines neuen Kapitels für die Kirchengemeinde. Über fünfzehnhundert Menschen versammelten sich zu einem Open-Air-Konzert, um die Maueröffnung zu feiern.

Nach der Wiedervereinigung erhielt die Kirchengemeinde das Grundstück, auf dem die Versöhnungskirche stand, zurück. Als Zeichen des Neuanfangs und der Versöhnung wurde auf den alten Grundmauern die „Kapelle der Versöhnung“ errichtet. Im Jahr 1999, zehn Jahre nach dem Mauerfall, fand die Grundsteinlegung statt. Die drei Glocken der ursprünglichen Versöhnungskirche, die gerettet werden konnten, kehrten an ihren historischen Ort in der Bernauer Straße zurück. Nach einer umfassenden Restaurierung wurden sie in ein neues Glockengestell aus Eichenholz eingepasst und am Pfingstsonntag des Jahres 2000 erstmals wieder geläutet.

Die Einweihung der neuen Kapelle der Versöhnungsgemeinde erfolgte am 9. November 2000, elf Jahre nach der Grenzöffnung. Sie bildet heute einen integralen Bestandteil des Mauermuseums in der Bernauer Straße. Neben den Glocken konnten auch das Turmkreuz und der Altar der ursprünglichen Kirche gerettet und in die neue Kapelle integriert werden. Eine erhaltene Christusfigur fand ihren neuen Platz in der Gethsemanekirche.

Pappelplatz und seine Geschichte

Gegenüber der St. Elisabeth Kirche befindet sich der Pappelplatz, der bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein belebter Marktplatz war. Mit der Einführung der Markthallen in Berlin verlor der Platz jedoch seine ursprüngliche Funktion. Benannt wurde der Platz nach den dort gepflanzten Pappelbäumen, die ihm auch heute noch seinen Charakter verleihen.

Im Zentrum des Pappelplatzes steht eine Skulptur, die im Volksmund als „Der Geldzähler“ bezeichnet wird. Ursprünglich als „Erbsenzähler“ bekannt, symbolisiert diese Figur einen Teil der lokalen Geschichte und Kultur. Sie ist ein Beispiel für die künstlerische Gestaltung öffentlicher Räume in Berlin und trägt zur Identität des Stadtteils bei.

Die Invalidenstraße in Berlin und ihre historischen Wahrzeichen: Ackerhalle und Stettiner Bahnhof

Die Invalidenstraße in Berlin ist ein Ort reicher Geschichte und Architektur. Zwei ihrer herausragenden historischen Wahrzeichen sind die Ackerhalle, auch als Markthalle VI bekannt, und der ehemalige Stettiner Bahnhof, später umbenannt in Nordbahnhof. Im Folgenden wird die Geschichte dieser beiden Bauwerke näher beleuchtet und in den Kontext der Invalidenstraße gesetzt.

Ackerhalle (Markthalle VI)

Entstehung und Architektur

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte Berlin eine städtebauliche Transformation, die auch die Errichtung von Markthallen einschloss. In der Invalidenstraße entstand zwischen 1886 und 1888 die Ackerhalle nach einem Entwurf von Hermann Blankenstein. Sie ist besonders, da sie zwei Eingänge in unterschiedlichen Straßen hat: den Haupteingang in der Invalidenstraße und den Nebeneingang in der Ackerstraße.

Die Konstruktion der Ackerhalle ist typisch für die damalige Zeit und zeichnet sich durch ein hohes, seitlich belichtetes Mittelschiff aus, von dem Seitenschiffe mit Oberlichtern abgehen. Gusseiserne Stützen und Stahlbinder tragen die Dachkonstruktion, die im Mittelschiff als Dreigelenkbogen ausgeführt ist. Die Fassaden sind mit Klinkern im Stil der Neorenaissance verblendet und mit reich verzierten Terrakottaplatten geschmückt.

Nutzung und Wandel

Ursprünglich diente die Ackerhalle als Marktplatz, wobei im Erdgeschoss Läden und in den darüberliegenden Etagen Wohnungen der Ladenbesitzer untergebracht waren. Nach leichten Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg konnte die Halle bereits 1945 wiedereröffnet werden. Jedoch verlor sie in den 1970er Jahren ihren Marktcharakter durch einen Umbau zu einem DDR-Kaufhallenbetrieb. Nach der politischen Wende im Jahr 1991 wurden diese Änderungen rückgängig gemacht, allerdings ohne den ursprünglichen Flair von verschiedenen Marktständen wiederherzustellen.

Stettiner Bahnhof (später Nordbahnhof)

Gründung und Ausbau

Der Stettiner Bahnhof, ursprünglich errichtet, um die Städte Berlin und Stettin zu verbinden, war ein zentrales Verkehrsbauwerk der Invalidenstraße. Eröffnet wurde der Bahnhof 1842 und entwickelte sich rasch zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Durch die Verbindungsbahn, die 1871 fertiggestellt wurde, waren alle großen Berliner Kopfbahnhöfe miteinander verbunden, was den Transport deutlich vereinfachte.

Veränderungen und Kriegsfolgen

Im Laufe der Jahre erfuhr der Stettiner Bahnhof mehrere Umbauten und Erweiterungen. Der Stettiner Vorortbahnhof kam 1898 hinzu und bediente die nördlichen Vororte Berlins. Nach schweren Kriegsschäden und der Teilung Berlins wurde der Bahnhof in Nordbahnhof umbenannt und schließlich 1951 geschlossen. Der Abriss des historischen Bahnhofs wurde 1962 abgeschlossen. Der Tunnel, der noch heute genutzt wird, liegt etwas südlich der Invalidenstraße und beherbergt einen neuen S-Bahnhof.

Die Gegenwart

Heute sind das Stellwerk und das Empfangsgebäude des Stettiner Vorortbahnhofs die letzten Überreste des einst größten Berliner Kopfbahnhofs. Auf dem Vorplatz des heutigen Nordbahnhofs, an dem seit 2006 die Straßenbahnlinie endet, erinnern die Namen der Ostseestädte an die historische Verbindung, die einst vom Stettiner Bahnhof ausging.